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Mittwoch, Februar 08, 2006

Bilder töten nicht - Menschen töten!

[Eines vorweg, auch wenn sich das bei der Signatur dieses Posts von selbst verstehen sollte: DER INHALT DIESES POSTS VERTRITT AUSSCHLIEßLICH DIE MEINUNG DES UNTERZEICHNENDEN UND KEINER ANDEREN PERSON DIESES BLOGS ODER PERSSONEN, DIE AUF IRGENDEINER VERLINKTEN WEBSITE GENANNT SIND!!!]

Ich kann zwar die Argumentation des Posts Bilder töten durchaus nachvollziehen. Natürlich gibt es Freiheit nur, wenn es auch Grenzen der Freiheit gibt. Und natürlich wird es immer die geben, deren Freiheit durch die eingeschränkt wird, die Grenzen überschreiten. Und im Fall der Mohammed Karikaturen sind religiöse Gefühle verletzt worden. Und ja, Meinungsfreiheit ist eine abstrakte Idee.
Aber die Zeichnungen sind einfach nur Zeichnungen! Und um aller Götter Willen, mit Zeichnungen können im höchsten Fall auch nur abstrakte Ideen verletzt werden! Und warum um aller Götter Willen muss ein Künstler sich ein anderes Thema ausdenken, wenn er den Einfall zu einem religösen Thema hat? Und warum soll der Künstler ausgerechnet kein Künstler mehr sein, wenn er ausgerechnet ein religiöses Thema behandelt (wie z. B. in folgendem Bild, in dem versteckt die Kirche kritisiert wird)?

Link zum Bild von Pieter Breughel (1568)

Auch die Argumentation des Posts Bilder töten ist lediglich ein abstraktes Gerüst. Es sind nie die Bilder, die töten, es sind nie die Ideen, die töten, es sind letztlich immer Menschen, die töten! Es sind immer die Hände von Menschen, die mit einem Knüppel zuschlagen, es sind immer die Finger von Menschen, die den Abzug einer Waffe betätigen, es sind nie die Ideen oder Bilder, es sind immer die Hände von Menschen, an denen das Blut der Toten klebt. Das darf doch nie vergessen werden. Und es regt mich auf, wenn hier Mord und Totschlag, Vandalismus und Gewalt mit dem schlichten Äußern von Kritik gleichgesetzt werden. Sei sie nun geäußert in Form von schlechten Bildchen oder in Form von Argumenten. Kein Wort der Welt, kein Bild der Welt, keine noch so schlimme Ideologie der Welt hätte jemals töten können, wenn nicht irgendein bescheuerter Mensch seine Hand zum Schlag erhoben hätte.

3 Comments:

Blogger val.b said...

ich hab meinen post gelöscht. auf die debatte lass ich mich nicht ein. ich will mit der letzten blendwerk-mail nichts zu tun haben. eine gegendarstellung wäre angebracht.

9:31 PM  
Anonymous Anonym said...

Missverständnis und Selbstverständnis

Sich auf die Meinungs- und Pressefreiheit zu berufen, ist – wie der liberalkonservative dänische Premierminister Anders Fogh Rasmussen zu spüren bekam – wohl Teil des Missverständnisses, das nicht allein Folge der zwölf Karikaturen aus der dänischen Tageszeitung „Jyllands-Posten“ ist, sondern das diese Karikaturen bereits voraussetzen.

Dieses Missverständnis zeigt sich freilich besonders in seinem Nachklang, also zuletzt eben an den Rechtfertigungsversuchen. Insofern etwa in Iran die Pressefreiheit nicht gerade in vergleichbarem Ansehen steht, wie dies in den "westlichen Gesellschaften" der Fall ist, bietet sie kaum eine Grundlage für Rechtfertigung. Diese Grundlage müsste eine gemeinsame sein. Doch während die Pressefreiheit im „Westen“ T e i l eines politische Selbstverständnisses ist, das sich auf die Vorstellung einer offenen Gesellschaft und das Prinzip des verbrieften Rechts beruft, steht sie in einigen „islamischen Ländern“ einem Selbstverständnis g e g e n ü b e r, das sich an der Religion und dem Prinzip des verkündeten Gebots und Verbots orientiert. Die „Logik des Glaubens“, die Logik also, in der Meinung im Rahmen eines unverhandelbaren Bekenntnisses gebildet wird, muss der Pressefreiheit notwendig Grenzen setzten, denn die behauptet ja gerade die generelle Verhandelbarkeit von Bekenntnissen und setzt damit eine ganz andere Logik in Gang – die „Logik der Politik“, wenn man so will. Es gibt keinen Standpunkt außerhalb beider „Logiken“, von dem aus man sie sozusagen gegeneinander abwägen könnte, jedoch kann man sie auch aus der jeweiligen Binnenperspektive voneinander unterscheiden. Tut man dies nicht, geht man – wie auch im Streit um die dänischen Karikaturen – von falschen Voraussetzungen aus.

Die Voraussetzungen sind freilich nicht erst auf „westlicher“ Seite durcheinander gebracht worden. Die Karikaturen erschienen in einer dänischen Tageszeitung. Diese Zeitung – so muss man zunächst unterstellen – adressiert Leser, zu deren Selbstverständnis die Pressefreiheit nicht im Widerspruch steht. Selbst ein iranischer Abonnent der „Jyllands-Posten“ in Teheran würde diesen Rahmen der Adressierung mit der Tageszeitung importieren. „…über wen wir uns lustig machen, der gehört zu uns“, so Flemming Rose, der Kulturchef der „Jyllands-Posten“, in der „Zeit“ vom 2. Feb. 2006. Die exklusive Formulierung hätte es besser getroffen: nur wer „zu uns gehört“, über den können „wir“ uns überhaupt lustig machen. Das „zu uns“ kann sich – wie gesagt – nicht auf ein gemeinsames Bekenntnis berufen, es bezieht sich lediglich auf einen irgendwie geteilten Problemhorizont. Der erstreckt sich im Falle der „Jyllands-Posten“ – auch das sei unterstellt – gewöhnlich jedoch nicht bis nach Ägypten, Saudi-Arabien oder Iran. Die Karikaturen, wie und wo sie erschienen sind, beleidigten demnach nicht „alle Muslime weltweit“, wie der dänische Imam Ahmed Abu Laban protestierte. Für dieses „Missverständnis“ musste erst der Rahmen der Adressierung gelöscht werden. Man darf spekulieren, dass das nicht ohne Absicht geschah.
Nebenbei: Diese Löschung und die Verwechslung der „Logiken“ bestätigt sich, wenn nun iranische Karikaturisten ihrerseits mit Zeichnungen „antworten“. Man unterstellt ein westliches Bildverbot und versucht es zu verletzen. Auf die ikonische christliche Religion zu zielen, wäre da ziemlich sinnlos (wen würde schon eine Jesus-Karikatur treffen?). Beim Stichwort Holocaust dagegen hat auch der „Westen“ gelegentlich über die Grenzen der Darstellbarkeit nachgedacht. Sich auf ihn zu beziehen, wäre also konsequent. Jedoch missversteht man, dass selbst der Holocaust nicht mit einem Bildverbot in der Ausschließlichkeit des „Logik des Glaubens“ beleget werden kann. Ein solches Bildverbot ist unter der „Logik der Politik“ nicht möglich. Für die Darstellung des Holocaust gibt es keine metaphysischen Grenzen (wie lässt sich „das Böse“ darstellen?) und auch keine moralischen (ist es gut, den Holocaust darzustellen?) – metaphysisch und moralisch sind die Grenzen, auf die sich das islamische und jedes andere religiöse Bildverbot stützt. Unter der „Logik der Politik“ – die nicht mehr von metaphysischen und moralischen Unumstößlichkeiten ausgeht – hat die Darstellung des Holocaust allein politische Grenzen (stellt die Darstellung z.B. die Verhandelbarkeit von Bekenntnissen in Frage?).

Doch zurück: Der Rahmen der Adressierung der dänischen Karikaturen wurde also gelöscht. Diese Karikaturen machten es dem Imam nun freilich nicht schwer, sie weiterzureichen und weiter reichen zu lassen, als sie beabsichtigen konnten. Hier zeigt sich die Missverständlichkeit der Karikaturen selbst. Denn sieht man einmal vom institutionellen Rahmen der Tageszeitung ab, fehlt es den Zeichnungen an klarer Adressierung. Dazu hat sicher auch der Zusammenhang ihrer Entstehung beigetragen. Flemming Rose forderte im Sommer 2005 dänische Karikaturisten dazu auf, den Propheten Mohammed zu zeichnen, nachdem er erfahren hatte, dass der dänische Autors Kare Bluitgen für sein Kinderbuchprojekt – eine Darstellung des Lebens Mohammeds – keinen Illustrator hatte finden können. Nun ging es Rose nicht darum, dem Autor zu einem geeigneten Zeichner zu verhelfen. Vielmehr habe er erfahren wollen, wie weit die Selbstzensur der dänischen Öffentlichkeit tatsächlich gehe, so Flemming in der erwähnten „Zeit“-Ausgabe. Demnach dürften jedoch die zwölf Karikaturisten Flemmings – durchaus vage – Absicht nicht verstanden haben. Zumindest ist es ihnen meines Erachtens nicht gelungen, ein entsprechendes Problem anzuzeichnen und die dänische Öffentlichkeit (bzw. sich selbst als Teil dieser Öffentlichkeit, der besonders von der Selbstzensur betroffen wäre) anzusprechen. So spannen die Karikaturen denn auch keine politische Satire auf, sondern bleiben im Wortsinne flach, indem sie etwa den Islam und den Terrorismus unumwunden gleichsetzen, ohne einen Hintergrund – wie etwa die Frage nach dem Bildverbot – skizziert zu haben, ohne also die Möglichkeit eingetragen zu haben, die Provokation der Zeichnungen zu befragen. Worum geht es bei diesen Zeichnungen eigentlich? Es fällt einem nicht viel dazu ein.

Hier deutet sich nun an, dass das Missverständnis nicht nur nachträglich auf „beiden Seiten“ verursacht wurde, sondern dass es bereits i n n e r h a l b des politischen Selbstverständnisses begründet liegt: Es scheint offensichtlich, dass Religion, wo sie als und anstelle von Politik betrieben wird, ein Defizit politischer Selbstbestimmung erzeugt. Aber konnte es die Absicht der Zeichner und der Redakteure sein, dieses Defizit im Namen der Meinungsfreiheit in einer dänischen Tageszeitung zu beklagen? Man kann diese Absicht, und mit ihr ein sehr merkwürdiges Selbstmissverständnis, angesichts sowohl der mangelnden Klarheit der Zeichnungen als auch der nachträglichen Berufung auf das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht ausschließen. In diesem Selbstmissverständnis scheint aus dem Blick geraten zu sein, dass es müßig, ja ein wenig lächerlich ist, unter der V o r a u s s e t z u n g von Pressefreiheit dieselbe durchsetzen zu wollen (und wer da nachträglich auch noch Mut im Spiel sah, hängt im gleichen Missverständnis). So wurden – mir scheint es zumindest – von vornherein die Voraussetzungen, die „Logiken“ unter denen Meinungen gebildet und artikuliert werden, durcheinander gebracht. Unter der Voraussetzung der Pressefreiheit hätte sich das Problem der Zensur, auf das es Rose ankommen lassen wollte, denn auch ganz anders stellen müssen. Politik, wo sie unter strikter Trennung von Religion betrieben wird, steht in der Gefahr, ein Defizit religiöser Selbstbestimmung zu erzeugen. Meinungsfreiheit könnte hier heißen, dieser Gefahr zu begegnen; sie stünde etwa für die Möglichkeit, das islamische Bildverbot zu respektieren, gerade um die Verhandelbarkeit von Bekenntnissen zu bestätigen – eine Möglichkeit also innerhalb der „Logik der Politik“.

Der Widerspruch zur „Logik des Glaubens“ bleibt demnach bestehen und er lässt sich auch nicht überbrücken. Z w i s c h e n den „Logiken“ lassen sich keine Argumente austauschen und die beiden Rahmen der Meinungsbildung – der des Bekenntnisses und derjenige der Verhandlung – lassen sich nicht übereinander legen. Es gibt keine Begründung für die Pressefreiheit außerhalb der „Logik der Politik“ und es gibt keine Verbindlichkeit des Glaubensbekenntnisses außerhalb der „Logik des Glaubens“. Deswegen muss man allerdings noch lange nicht den clash of cultures heraufbeschwören. Denn die Selbstbestimmungen müssen nicht, ja können gar nicht widerspruchsfrei in Sinne der einen oder anderen Logik sein. Unterhalb von Argumenten tut das nicht weh. So darf man annehmen, dass das, was man nach der einen Logik „Pressefreiheit“ nennt, längst Teil der Selbstbestimmung oder Selbstbeschreibung unter der anderen, der „Logik des Glaubens“, sein kann, ohne dass es zu so etwa hat kommen müssen, was nach der einen Logik „Transferleistung“ und nach der anderen „unangemessene Belehrung“ heißt. Wie dieser Widerspruch ausgehalten wird, ist nicht das Problem dänischer Tageszeitungen. Die müssen sich mit einem anderen, schon erwähnten, Widerspruch auseinandersetzen, der ebenfalls nur ausgehalten, nicht aufgelöst werden kann: der religiösen Selbstbestimmung innerhalb einer säkularen „Logik der Politik“.

Ganz herzlichen Gruß an H.S., val.b und Aga,
Michael Lück

3:52 PM  
Blogger val.b said...

ich bin nicht ganz sicher, ob ich micheal kommentar nach dem erstlesen schon verstanden habe.
aber der rahmen, die adressierung interessiert mich. ich bin nicht ganz sicher, ob sich eine dänische tageszeitung heute (oder jemals) an eine als dänisch verstandene öffentlichkeit zu richten in der lage ist.
ich will ja nicht gleich die keule rausholen, aber könnte eine der wirkungen der gerne zitierten globalisierung nicht beschrieben werden, als eine de-adressierung von sprechakten? muss eine zeitung nicht damit rechnen, dass sie sich an eine 'öffentlichkeit' (emphatische verstandene) richtet? eine größe die wesentlich schwieriger zu bestimmen ist als durch adjektive wie 'dänisch', 'liberalkonservativ' etc. ist 'öffentlichkeit nicht viel eher etwas 'monströses', 'un-bestimmbares' - ich habe keine skrupel das wort hier zu verwenden - 'FREIES'? ist information (generell gefragt) 'de-adressierbar'?
aber um von dem poststrukturalistischen trip wieder runterzukommen, lassen wir den 'Jyllands-Posten' mal (rechts oder links) liegen und fragen einfachmal danach, wer wir adressiert von unserer kleinen zeitschrift? und vor allem, denn darum geht es hier hauptsächlich, wen adressiert dieses blog? realistisch (pessimistisch) gesprochen kann man die namen wohl an ein bis zwei händen abzählen. realistisch (optimistisch) legt aber die auffindbarkeit über hypertext-protokoll, eben die oben beschriebene öffentlichkeit vorraus. vielleicht weniger die chinesische oder die iranische, weil da der informationsfreiheit restriktive grenzen gesetzt sind. so einfach haben wir es leider nicht wirklich. leitet sich aus der freiheit vielleicht eine verantwortung ab? eine verantwortung die nicht die verantwortung für diese selbst ist? war die (presse-)freiheit jemals gefährdet? so, dass sie sich selbst beweisen musst? oder ist etwas ganz anderes in gefahr gebracht worden?

5:17 PM  

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