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Samstag, April 02, 2005

free us from hypocrisy [mail an: johannes_paul_ii@vatican.va]

I know you won't live. And I am sorry.
I am what would be call an unbeliever. Maybe.
But I believe, that it is right to see someone die as one has
lived. Go on. Free us from hypocrisy.

Ich weiß du wirst nicht leben. Und es tut mir leid.
Ich bin was man einen Ungläubigen nennen würden. Vielleicht.
Doch ich glaube, es ist richtig einen sterben zu sehen, wie er
gelebt hat. Mach weiter. Halt uns fern von Heuchelei.

val.b

Ich fühle mich genötigt zu erklären. So lange habe ich noch nie überlegt ob ich was bloggen soll oder nicht. Aber jetzt denke ich, wieso eigentlich nicht? Ich bin mir schon im Klaren darüber, dass eine Mail an einen sterbenden Papst ne ziemlich irrationale Sache ist. Zumal wenn man nicht religiös ist und weiß, dass es sich bei Religion um eine irrationale Angelegenheit handelt. Aber wie der SPIEGEL eben meldet tue ich ja scheinbar nicht anderes als alle Menschen auf der Welt. Das ist ne eigenartige Sache, eigenartig wie der Artikel. Eigenartig wie abhängig Befürworter wie Gegner der Ansichten von JP von dieser Irrationalität sind, von der Beispielhaftigkeit. Das ist der Punkt, das Beispiel zählt, wofür es steht reicht weit über Religion, Glauben, die Kirche und den ganzen Mist hinaus. Ich erinnere mich, dass ich vor Jahren eine ähnlich Mail schreiben wollte, ans weiße Haus. Ich habe es nicht getan. Und irrational, unsinnig und wirkungslos wie es auch gewesen wäre, ich wünschte ich könnte das nachholen. Deswegen die Mail heute. Eine Gewissensfrage Anfang des 21. Jahrhunderts.
Die Worte die ich ans weiße Haus richten wollte waren ein Gnadengesuch. Ich weiß nicht einmal mehr wann es war, aber es kommt mir so vor, wie wenn es vor ein paar Jahren in den Vereinigten Staaten kurz nacheinander zwei Hinrichtungen gab. Die eine war die von Karla Faye Tucker. Die war mir egal. Obwohl, oder gerade weil die so eine breite Debatte über die Todesstrafe entfacht hat. Ich diskutiere nicht gerne über solche Sachen. Die andere Hinrichtung war die von Timothy McVeigh, dem Oklahoma Attentäter. Es war seit mehr als 40 Jahren die erste Hinrichtung die Nach Bundesrecht vollzogen wurde. Internationale Proteste, Gnadengesuche blieben aus. Bei Tucker waren es die bösen Amis mit ihrer Todesstrafe. Doch bei McVeigh, einem Rechten, einem Terroristen, einem Massenmörder zählte die verlogene Moralität nichts mehr. Ich dachte wenigsten einer sollte aufstehen und eines stellen. Ich habe es nicht getan. Wahrscheinlich so wenig wie der Vatikan.
Heute weiß ich, es hat sehr wohl auch bei McVeights Hinrichtung Proteste gegeben. In den Medien war davon keine Rede. Es ging vornehmlich um Übertragungsrechte und das umstrittene Verbot die Hinrichtung live im Internet zu präsentieren.
Tja, und dann erinnert mich die Sache an einen meiner Professoren, einem studierten, allerdings dann abgefallenen katholischen Theologen. Er ist Soziologe heute. Predigte mit Inbrunst die Korruption. Gute, moralisch standhafte Menschen sterben einsam, sich nie einer Organisation anschießen die etwas wie Altruismus auf ihre Fahnen schreibt.
Leitsätze politischer Theorie. Der Katechismus eines Glaubens. Betet zum positiven Recht. Menschen die so was predigen sind bloß Vieh, Lämmer die besser geschlachtet werden. Unfähig zu begreifen, dass jenes was die Schlachtung verhindert weder ein Gesetz auf Grundlage positiven Rechtes war, noch die konditionierte Angst vor Strafe. Sondern eine Ethik, eine Handlungstheorie. Glaube möglicherweise und Irrationalität. Es ist das 21. Jahrhundert. Eines wie alle. Die letzten Worte von Timothy McVeigh: Es tut mir leid, dass alle diese Leute sterben mussten, aber das ist nun mal die Natur des Tieres. Bei so einer Sache ist der Blutzoll halt so hoch”.