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Freitag, Februar 25, 2005

leserbriefe@nzz.ch

Siegen 25. Februar 2005

Betr.: DIE E-BOMBE


Sehr geehrte Damen und Herren,

Mein bloggendes Herz blutet. Wird die Wirkung seines Pulsschlages verglichen mit denen der Atombombe.[NZZ verwendet hier optional ein Fragezeichen. Ist eine interessante Variation. Ist wahrscheinlich zuviel gewesen Haupt und Nebensatz mit Punkt zu trennen. Dachte das könnte die Auftacktaussage unterstreichen. Endlich mal was von mir, das kein bloßer orthographischer Misgriff ist und die denken genau das. Scheiße! Wenn ich mal NZZ zitiere drehe ich die Anführungszeichen richtig rum. Ätsch! Nach dem optionalen Fragezeichen folge der eingeklammerte Hinweis auf den Artikel auf den ich mich bezogen habe.] Und sich hinter dieser E- statt A-Bombe nichts anderes verbirgt als die zu häufig herbeizitierte, „immer geschwätzigere Medienwelt“, deren Apparaturen immer schneller rotieren.
Darf man sich noch wundern? Über die Geschwätzigkeit alptraumschneller Medienwelten? E-Bomben ambivalent wie A-Bomben? Wundern, wenn man den Artikel in ihrer Online-Ausgabe zu lesen bekommt, die doch, (nicht nur) technisch, betrachtet nichts anderes darstellt als einen Blog? Ist ihre NZZ frei davon ein Teil der allgemeinen Geschwätzigkeit zu sein? Müsste eine Zeitung vom Rang der ihren da nicht mehr Selbstkritik zeigen? Ambivalente Elektro-Phänomene? Falls sie es nicht gemerkt haben: Sie sind Blogger. Ein ambivalentes Elektro-Phänomen. Verantwortlich gemacht für die so genannte Geschwindigkeitssteigerung der Nachrichtenzirkulation und den Verfall des Kurswertes dieser Nachrichten wurden zunächst Sie, das organisierte Zeitungswesen. Die gerufene Metapher der „rotierenden Apparaturen“ bezeichnete einst nichts weiter als die reale Rotation der Druckmaschinen.
Mit der technologischen Entwicklung wurde das Vorurteil verschoben: auf das Radio, die staatlichen, später die privaten Fernsehstationen. Und heute sollen es die Blogger sein, die mit unseriösen Gerüchten die informierte Ruhe des ewig Gestrigen zu stören wagen. Jammern langweilt.
Jedes Phänomen ist notwendig ambivalent. Kein Blogger kann Nachrichten schneller verbreiten als die Online-Ausgaben der großen Zeitungsverlage. Doch dem Blogger ist, im Gegensatz zu Ihnen [die NZZ verwendet hier die Option "diesen", nicht der stählerne Rhythmus rotierender Maschinen auferlegt. Wir können schweigen. Während Ihre [Option: die Zeitungs-] Seiten nicht leer bleiben dürfen, CNN nicht das Testbild senden kann, sollte sich wider Erwarten nichts ereignen. Die Welt nach den Bedürfnissen des Blogs herzurichten meint schweigen, wenn es nichts zu sagen gibt. Eine Freiheit, die Ihnen [Option: Zeitungen und Fernsehen (Wie wäre es mit einem Aufstand der Radiosender, die NZZ für nicht erwähnenswert hält)]längst nicht mehr gegeben ist.
Blogger, meist jung und ungebildet. Aber dennoch, ich meine mich erinnern zu können, im Werk eines Genovesen mit Namen Jean-Jacques Rousseau gelesen zu haben, dass es ein Irrtum sei, die Gegenwart für schnelllebiger zu halten als vergangene Zeiten. Im Rückgriff erscheint alles ruhiger, gesetzter, denn man selbst blickt ruhiger, gesetzter zurück. Nun, Rousseau ist tot, aber der Gedanke hat Gehalt. Zweifellos, es befindet sich alles in beständigem Fluss, und leidig wie es ist: Vergangenes kommt nicht zurück. Aber das hat selbst Heraklit schon bemerkt: Die Bahn kommt. Doch man steigt nicht zweimal in denselben Zug. Ist es nicht denkbar, dass lediglich die Medien sich wandeln, die Mittel zur Verbreitung von Botschaften? Und damit, brav McLuhans Dogma folgend, die Botschaft? Aber geht daraus eine Steigerung der Geschwindigkeit hervor? Kaum. Was früher nur Dorfklatsch gewesen sein mag, ist der Klatsch des globalen Dorfes von heute. Und der Hofklatsch? Ein Gleiches. Muss ein Nachrichtenchef zurücktreten, weil wir Waschweiber klatschen, ist das kaum den Waschweibern anzurechnen. Was gestern die Zugezogene von nebenan war, ist uns heute der Nachrichtenchef von CNN. Wir sind Waschweiber. Wir klatschen. Bei jedem Rücktritt.
Und wo wir dabei sind: Dass „Aufklärung und Verdunkelung […] Geschwister der Moderne“ sein sollen und nicht die Geschwister eines jeden Zeit- und Menschenalters, würde der voreilige Blogger als Gerücht der geschwätzigen Medienlandschaft abtun und vor weiterem, gebildetem Jonglieren mit großen Begriffen eine Relektüre der ‚Dialektik der Aufklärung’ empfehlen. Es lohnt sich.

Herzliche Grüße,

Valentin Boor

Montag, Februar 21, 2005

weblog nr. 4

umlagert

dort
am ende des tunnels
licht, glänzend

von müllsäcken.

auf
entsorgung
warten,

hoffnung schimmern

rest dr. gonzo

no one is tending the light at the end of the tunnel./
niemand kümmert sich um das licht am ende des tunnels.
but we thank for reminding us,/
aber wir danken für die erinnerung,
still restless, rotting in space./
noch ruhelos, verrotten im all.
will just shove you into the pool,/
werd dich einfach in den pool wälzen,
and you sink like a stone./
und du versinkst wie ein stein.

Donnerstag, Februar 17, 2005

Shivas elektrische Glieder [update 23.02.05]

Furcht pulst durch Glasfasernetze ohne Namen. Shivas elektrische Glieder zucken. Sehnsucht im Nebel. /Zeit/verrinnt/nicht/. Einst wart ihr nur Schweine, doch heute sollt ihr Götter sein. Ihr vern/abrupt kappt die automatische Tür der Wahnsinnigen Predigt/. Er bewegt sich auf einer genau vorausberechneten Route durch den Rhythmus Stadt./Code red/. Sicherheitsrelevante Information. Drückt einen Knopf. Im inneren Mantelsaum verborgen /grün/. Die Aura des Kassenmädchens implodiert ins Nichts/die grüne Reizung der Netzhaut stirbt. Er schiebt die Displaybrille lässig über Haaransatz./wie echt./ Körpermodifikationsdiscountanleihen. Die Kunden zwischen den Regalen alle als /grün/ registriert. Sicherheitsrelevante Information. Gespeichert. Heute wieder angenehm klimatisiert. Overflowattacken lassen nach/Die Woche in entsetzlich großen Schlagzeilen. Stabile Stromversorgung. General empfiehlt: Schießt in die Köpfe. Zombiesoldaten im Zweistromland. Vierzig Jahre Aufstand. Präzisierung. Und er lächelt freundlich in die Kameras. Das Gesicht das sie aufnehmen ist sowieso nicht seins. Während er noch nachlässig durch die chromglänzenden Haare streicht, kratzt im Ärmel das Rohr des Gaschromatographen ihn am Hinterkopf, verborgen. Immer auf der Hut. Wandert die Reihen entlang/Lagerregal/lager|regal/lagerregaL/ man kann im Rückwärtsgehen lesen/entlang. Strichcodes neben den Preisschildern scannt er mit bloßen Augen/Effekte der Konditionierung lassen ihn mechanisch Strichgruppen unterschiedlicher Stärke in Ziffern transponieren. Mechanisch addiert er Zahlengruppen. Man hat gewarnt vor Quersummen/durch 5 und 9 teilbar/. Der innere Alarm schweigt. Standardbetrieb. Auf den immergrünen Leichenfeldern ernten die modernsten Pflückroboter den Duft Lateinamerikas. Das ist echte Handarbeit. Zwischen den Supermarktregalen stehen Kinder und weinen. Wahrscheinlich weil sie keine Arbeit haben. Er findet ein paar Artikel mit den richtigen Zahlenfolgen, stopft sie in den Leichtrucksack/die Fasern hitzebeständig bis 893C°/nein, brennendes Kerosin absolut kein Problem/danke, prima.
Der Rucksackinhalt wird im Kassenbereich automatisch von den Scannern erfasst, der Betrag von einem real existierenden Konto abgebucht./theoretisch/. Von dem Augenblick an in dem das in die Bezahl-und Buchungssystem integrierte Warnanlage anspringt, ist die Bewegung Fließend mit der metallkreischend die Sicherheitsschotte, die auch im Brandfall ihren Dienst getan hätten aus der Decke schießen, er, der Fließrichtung der dominanten Umgebungsvektoren folgend in die Knie geht, den Griff nach der Waffe ausführt, während der Mantel, durch die rabiate Bewegung aufgeschreckt, sämtliche Verteidigungssysteme aktiviert. Das Mädchen an der Kasse lächelt ungerührt. Entschuldigen sie, Fehlfunktion/neues Betriebssystem/versagen häufig. Darf ich sie bitten die Waren alle auf das Band zu legen? Muss manuell einscannen. In ihrer Hand blitzt das abtastende Rot. Der Mantel entspannt sich. Lächelt nervös. /grün/verrät der schnelle Blick durch die Brille/die Sicherheitsschotten ziehen sich in die Decke zurück.
Während das Mädchen die Konsumgüter vom Band nimmt den Laserscanner ansetzt, bewundert er die präzise Steuerung der Bewegungsabläufe. Dann ließt er ihr Namensschild. Sie sieht ihn an und riecht nur leicht nach Giftgas dabei. Das festzustellen braucht er den Chromatographen nicht: Die Kreditkarte bitte. Die Sanftheit brauner Augen. Es sind Rehaugen./Implantate./Takara Biomech Corp./oder so was./kleiner Scherz./sowieso bloß Design./ein Konstrukt./seltsame Affinität zu genetisch-biomechanischen Mischkomplexen./entkoppelte Imunsteuerung./Seuchenresistent. Hast du schon mal von einem besseren Leben geträumt? In den Kolonien? Sie reicht die Plastikkarte zurück, überhört die Frage, die wahrscheinlich außerhalb ihrer Funktionsparametern liegt./Herzlose Programmierung/ nicht besonders fehleranfällig. Ihr Name bedeutet Lamm in einer toten Sprache. Es sind Rehaugen.
Draußen blutet die Sonne/menopausiert.

Selbstherrliches Klingeln unzähliger Telefone. Die Route/Code red./ wird fortgesetzt.
Die Software hat ein Freund entworfen/spezielle Dienste/sicherheitsrelevante Information./ Jeden Tag wird aus den verschiedensten Datenströmen unsichtbarer Informanten ein Weg vorbei an den stationären Überwachungskameras/garantiert ein Leben im toten Winkel/Licht-, Laser-, Infrarotbarrieren. Unmöglich dieser Tage über GPS zu orten. Uplinksprerre/totale Freigabeverweigerung/militärische Maßnahmen. Tagtäglich huschen hunderte von einem digitalen Schattenflecken zum nächsten/unerkannt. Radioteleskope schicken unablässig sinnlose Botschaften ins All.

Erster Ferngesteuerter Alptraum.
Strahlend blauer Himmel/Im Eisreklamesommertropensonnenwetter kommt er an die Oberfläche. Da vorne Strand. Marmorpromenade. Wellen laufen aus. Irgendwo Bretter, es richt nach frischem weißen Lack/Bootslack. Der Boden bedeckt mit toten Vögeln/ Seevögeln/vereinzelt Blut und tote Menschenmassen, die zwischen den Tierchen auf der Steinpromenade verwesen/dunstiges grün/. Mahlzeit = Fleischheit. Die Verwesung wiederum bedeckt mit lebendigen Schwärmen/schwarze Möwe pickt Leichen/auGen/haut in Fetzen. Schöller. Futterneid. Kontrastiertes Badewetter. Sommerschlussverkauf. Zum Hohn am Ufer Pfähle aufgereiht. Lautsprechermasten. Kleine Mädchenstimme singt Liedchen namenloser Furcht/. Der Rest: Friedens- und das Knacken der Feder/tauben/knochen bei Schritten unter seinen Füßen. In ihrem Schnabel blüht ein fantastischer neuer Wirtschaftszweig.

Mittwoch, Februar 02, 2005

Trauer

Die Baise-Moi Schauspielerin Karen Bach ist tot. Affen bezahlen für Pornobilder. Zwei Nachrichten die traurig stimmen. Aus unterschiedlichen Gründen.